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  • AutorenbildMu-un Ra

Wer ist wach?


Was mag wohl die größte Herausforderung sein, sich dafür zu entscheiden ein mönchisches Leben zu führen?

Was kann einen Menschen dorthin führen, sein Leben ganz und umfänglich genau einer Sache zu verschreiben und dabei viele andere Dinge (im Zweifel die ganze Welt) hintan zu stellen. Sein Tagwerk, seinen physischen Raum, seine Kontakte zu reduzieren, hinter Klostermauern dem großen Blumenstrauß der Möglichkeiten zu entsagen?


Was für ein Wort. Entsagen.

Will ich entsagen, dann muss es schon etwas sehr Wertvolles sein, was mich dorthin führt.

Ein Versprechen? Nicht mehr viel verschiedene Dinge sagen, sondern nur das Eine?


Will ich in dieser Form des absolut ausgerichteten und fokussierten Lebens nicht verrückt werden wie ein Robinson auf einer kargen Insel, dann braucht es eine wesentliche Eigenschaft, einen Schwur, eben jenes Versprechen.


Ich bin wach, ich bleibe wach.


Zunächst scheint dies paradox und wirklich erst Recht furchtbar. Der Insel in all ihrer Beschränktheit auch noch jeden Moment anschauen und für wahr nehmen? Ja, es ist ein Risiko, es ist vielleicht wahnsinnig. Und doch liegt darin eine Reise in einen neuen unerschöpflichen Kosmos. Wenn es gelingt, an jedem Tag einen wachen Moment zu erlauben, wo ich ganz und gar JETZT auf den gleichen Punkt in meinem Blickfeld schaue, stelle ich fest...


... das es nicht derselbe Punkt ist. Denn er ist obgleich im Raum geblieben doch im Strom der Zeit zugegen. Und mit dem Strömen der Zeit verändert er sich, mutiert, gebiert, transformiert, kollabiert und generiert... immer neue Facetten und Aspekte, die gestern im Strom der Zeit nicht zu erkennen waren.


So erkenne ich den Menschen und Dinge an meiner Seite ...


meine Kinder,

meinen Partner,

meine Kollegen,

den Baum vor meinem Haus,

das Bild an meiner Wand,

den Himmel

mich selbst im Spiegel


... jeden Tag von Neuem.


Das ist mit Sicherheit nicht immer ein Fest, ein Feuerwerk, eine Sensation, im Gegenteil, das ist durchaus ernüchternd, erschütternd, erschreckend, erfreulich, rätselhaft, lustig...


Darum geht es im Kloster auch nicht. Wenn ich in den Strom der Zeit schaue, dann geht es um etwas Anderes als die Bewertung von dem, was ich für wahr nehme. Es geht um das Erkennen und Aussprechen aus dem Herzen heraus.


Ich sehe Dich.

Ich erkenne Dich

Ich erkenne mich darin

Ich erkenne die Schöpfung darin

Ich erkenne alles und auch nichts.


Das ist für mich absolut wert, zu entsagen. Und zugleich zu versprechen.


Ich bin wach.



 

Filmtipps zu diesem Thema:

84 Ansichten1 Kommentar

1 Comment


sandralea
Dec 30, 2020

Sehr inspirierend!


Ein interessantes Wortspiel regt sich in mir:


Ent- sagen

Ver- sprechen

Er- kennen


Ein Ton der Absicht

Ein Ton der Wahrheit

Ein Ton der Wach-heit


Ein Mantra...

Klangkörper...


Mein Körper klingt


Ich bin wach

Ich bleibe wach


Ich bin wach: Jetzt

Dieser Augenblick

Durch Augen blicken..

Erkennen


Und enthebe mich so des Zeitstroms


Ich bin wach

Ich sehe

Ich erkenne


Ich bin auf der Insel

Rückzug

Stille

Enthebe mich des Raumstroms


So enthoben, bin ich wach. Im jetzt.

Und begegne dem Du und Dich und Welt..

Begegne der Schöpfung.

So bin ich wache Schöpfung


Und schöpfe Wach-heit.

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